Oder: Warum wir uns immer neue Gründe suchen, uns gegenseitig die Schädel einzuschlagen.
Wenn du den Menschen den Krieg nimmst, dann erfinden sie sich halt neue. Das ist die bittere Pointe der Geschichte. Eine Spezies, die Jahrtausende lang damit beschäftigt war, sich die Köpfe einzuschlagen, kann nicht einfach so in den Chill-Modus wechseln. Also machen wir das, was wir am besten können: Streit suchen.
Früher haben wir uns um Essen, Land oder Religion die Kehle aufgeschnitten. Heute zerfleischen wir uns wegen Meinungen, Begriffen und Internetdebatten. Das Schlachtfeld hat sich geändert, die Natur des Kampfes nicht. Denn der kriegerische Mensch bleibt, was er ist – selbst wenn er keine Schlachten mehr schlagen muss.
Kein Feind? Kein Problem
(Warum sich friedliche Gesellschaften gegenseitig die Schädel einschlagen.)
Schau dich um: Der Mensch ist nie zufriedener als in einem Krieg – weil er dann genau weiß, wer auf seiner Seite steht und wer auf die Fresse gehört.
Doch was passiert, wenn keine echte Bedrohung mehr existiert? Wenn niemand die Stadt niederbrennen will, keine Horde Barbaren an die Tür klopft und kein Bombenalarm uns zusammenschweißt? Dann suchen wir halt Ersatzfeinde.
In friedlichen Zeiten entgleisen Gesellschaften nicht wegen Hunger oder Not – sondern wegen moralischer Nuancen. Was früher mit Schwert und Schild ausgefochten wurde, wird heute in Empörungswellen und medialen Hexenjagden weitergeführt.
Der Mechanismus bleibt gleich:
- Suche einen Feind.
- Erkläre ihn zum existenziellen Problem.
- Zerstöre ihn, um deine eigene moralische Überlegenheit zu beweisen.
Früher hieß es: „Er ist aus dem falschen Stamm, also stechen wir ihn ab.“
Heute: „Er hat das falsche Wort benutzt, also vernichten wir seine Karriere.“
Die Wohlstands-Kakophonie
(Wenn Menschen nicht mehr ums Überleben kämpfen müssen, kämpfen sie um Bedeutung.)
Krieg schafft Zusammenhalt, Frieden spaltet. Klingt paradox? Ist es aber nicht.
Die größten Zerwürfnisse entstehen nicht, wenn Menschen ums Überleben kämpfen – sondern wenn sie sich langweilen. Wenn das Leben sicher ist, fängt man an, über Sinn zu streiten. Und weil echter Sinn schwer zu finden ist, eignet sich moralische Selbstinszenierung als bequemer Ersatz.
Früher: „Wir müssen das Dorf verteidigen!“
Heute: „Ich finde deine Formulierung problematisch.“
Das ist der Knackpunkt: Wenn nichts wirklich auf dem Spiel steht, wird alles künstlich aufgeladen. Je sicherer eine Gesellschaft lebt, desto verzweifelter sucht sie nach Gründen, sich aufzureiben. Und wenn kein echter Feind da ist, wird er eben erschaffen.
Die Menschen, die sich für Revolutionäre halten, würden in echten Krisen einfach nur überfordert dreinschauen und hoffen, dass jemand anderes die Welt rettet. Aber solange es keine echte Gefahr gibt, können sie sich in theoretischen Stellvertreterkriegen austoben – mit maximaler Leidenschaft und null persönlichem Risiko.
Kriege um Begriffe
(Wie sich die Schlachtfelder verschoben haben – von Territorien zu Narrativen.)
Früher haben wir Kriege um Land geführt. Heute führen wir sie um Worte.
- Welche Begriffe sind akzeptabel?
- Welche Ideologien sind moralisch überlegen?
- Wer hat die Definitionsmacht über die Realität?
Die Regeln sind dieselben wie früher: Die Sieger schreiben die Geschichte, die Verlierer werden ausradiert. Nur dass der Kampf heute mit Hashtags und Kampagnen geführt wird, statt mit Schwertern und Schießpulver.
Das Ergebnis: Ein tägliches Minenfeld aus Empörung und Gegendemonstrationen.
- Die einen wollen das System niederbrennen.
- Die anderen verteidigen es mit Klauen und Zähnen.
- Und in der Mitte? Ein Haufen Menschen, die einfach nur in Ruhe ihren Kaffee trinken wollen, aber ständig in die Schusslinie geraten.
Willkommen im Zeitalter der symbolischen Kriege, wo nichts mehr direkt ausgesagt wird, weil jedes Wort ein potenzieller Sprengsatz ist.
Das Internet als ultimative Steigerung
(Wie soziale Medien die Selbstzerfleischung exponentiell verstärken.)
Man könnte meinen, der digitale Raum würde für mehr Verständigung sorgen. Hahaha. Nein.
Stattdessen haben wir das Internet als ultimative Eskalationsmaschine erfunden. Eine Arena, in der jeder Streit in Echtzeit explodieren kann – potenziert durch Algorithmen, die extreme Meinungen bevorzugen.
Die Mechanik ist einfach:
- Jemand sagt etwas.
- Jemand anders fühlt sich beleidigt.
- Die Horde versammelt sich.
- Shitstorm, Boykott, Vernichtung.
Früher musstest du eine Armee ausrüsten, um jemanden zu vernichten. Heute reicht ein Screenshot und ein wütender Twitter-Thread.
Das Internet hat den ewigen Krieg der Menschen nicht verhindert – es hat ihn perfektioniert. Jeder kann jederzeit angegriffen werden, jede Aussage kann aus dem Kontext gerissen und zur nächsten großen Empörung umgewandelt werden. Es gibt keinen Waffenstillstand, nur den nächsten Sturm.
Der ewige Kampf gegen uns selbst
(Es gibt keinen Frieden, es gibt nur eine neue Form von Krieg.)
Nietzsche hatte recht: Der kriegerische Mensch kann nicht aufhören zu kämpfen. Wenn er keine äußeren Feinde mehr hat, fällt er über sich selbst her.
Das ist unsere Natur. Unsere Geschichte. Unser ewiger Fluch.
Der moderne Mensch kämpft nicht mehr ums Überleben, sondern um Aufmerksamkeit. Nicht mehr um Nahrung, sondern um Narrative. Und solange Menschen existieren, wird es immer jemanden geben, der die nächste Schlacht eröffnet.
Nur dass wir inzwischen nicht mehr wissen, wofür wir eigentlich kämpfen – und oft auch nicht mehr, gegen wen.