Oder: Warum unsere Moral ein Serienkiller ist
Rasse. Ein Begriff, bei dem bei uns Menschen – völlig zu Recht – alle Alarmglocken läuten. Ein Begriff, der unzähligen Menschen Leid brachte, Existenzen zerstörte, den Grundstein für Rassismus, Diskriminierung und Tod legte. „Rasse“ ist für uns Menschen inzwischen moralisch toxisch. Zum Glück.
Und bei Tieren?
Ach, da geht das klar.
Hunde- und Katzenrassen? Na logisch, die haben sogar Papiere. Ein Zertifikat, das offiziell bestätigt, dass dein Labrador so reinrassig ist, wie es der kleine Adolf damals gern gehabt hätte. Eine Perserkatze, deren Stammbaum sauberer dokumentiert ist als der eigene Familienstammbaum von König Charles. Rasse? Klar, bei Tieren ist das kein Problem. Bei denen kann man munter „reinzüchten“ und damit angeben, dass die Vorfahren sich alle gegenseitigen Geschwister, Cousins oder Elternteile waren. Und das alles nennt sich dann auch noch „Liebe zum Tier“.
So arbeitet die Natur nicht. Hat sie noch nie.
Ist das nicht irre?
Wer, verdammt nochmal, glauben wir eigentlich, wer wir sind?
Menschen lehnen (zumindest öffentlich) jede Form von Rassenideologie kategorisch ab, betrachten es als ethisch verwerflich, überhaupt noch von Rassen zu sprechen – aber beim eigenen Haustier hört das Mitgefühl offenbar auf. Da ist plötzlich alles erlaubt: Nase wegzüchten, Beine verkürzen, bis das Tier kriechen muss, Augen vergrößern, Ohren verkleinern, Gelenke deformieren. Die Tierwelt ist zu unserem moralischen Spielplatz geworden, auf dem wir unseren eigenen Wahnsinn ausleben.
Wenn Ethik ein Mensch wäre, hieße sie wohl Charles Manson.
Menschen machen sich eine Welt, wie sie ihnen gefällt – und die Moral wird dabei flexibel wie eine Turnerin auf Doping. Beim Menschen sagen wir: „Alle sind gleichwertig!“ Bei Tieren hingegen heißt es: „Nee, bloß nicht mischen, wir wollen ’nen sauberen Stammbaum.“ Da beginnt der Wahnsinn: ein Chihuahua, der nicht mehr alleine atmen kann, aber „reinrassig“ ist, ist gesellschaftlich akzeptierter als ein gesunder, glücklicher Mischling, der leider nicht in den Stammbaum passt.
Tierwelt goes Drittes Reich – Zuchtpapiere inklusive.
Vielleicht wäre es mal an der Zeit, den Begriff „Rasse“ auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen – und zwar nicht nur bei Menschen. Diese völlig absurde Doppelmoral, in der „Rassen“ bei Menschen tabu sind, aber bei Tieren ganz selbstverständlich gelten, zeigt nur eines: Wir Menschen sind narzisstisch, selbstverliebt und empathielos.
Die Wahrheit tut weh? Gut. Soll sie auch.
Würde der Menschheit der moralische Spiegel vorgehalten werden, würde sie darin nicht gut aussehen: keine Spur von Empathie, dafür grenzenlose Arroganz und eine ekelhafte Selbstgefälligkeit.
Zeit, den Wahnsinn zu stoppen. Zeit, Tieren den Respekt entgegenzubringen, den wir angeblich für uns selbst einfordern.
Oder zumindest Zeit, mal konsequent zu sein.
Rasse? Nein, danke. Nirgendwo.