Seit Wochen herrscht Ruhe. Weil wir selbst nichts Neues mehr finden. Alles ist gesagt. Und alles wird weiterhin täglich gesagt – von allen anderen.
Die AfD legt zu. Wie erwartet. Ein türkisches Sprichwort fasst es besser als jede Analyse: Ein Verrückter wirft einen Stein in den Brunnen, und fünfzig Kluge kriegen ihn nicht mehr heraus. Genau wie Scheiße schwimmt die AfD – egal was sie tut, egal wie sie stinkt, am Ende obenauf.
Die etablierten Parteien? Sie sind keine Opfer des Rechtsrucks, sie sind sein Fundament. Wer jahrzehntelang rechts blinkt, darf sich nicht wundern, wenn plötzlich das ganze Auto rechts fährt. Aber für die NPD und andere Faschos hatte es nie gereicht.
Alles bekannt, oder?
Warum also erstarkt die Rechte jetzt mit der AfD erst? Nicht weil sie die AfD ist und es komplett anders aufzieht. Sondern weil sie schlicht den rechten Teil der Gesellschaft abbildet. Sie müssen nichts tun. Sie müssen keine Inhalte liefern. Sie müssen nur existieren – und werden gewählt.
Die AfD ist nicht das Problem, sie ist das Symptom. Jahrzehntelang in der Pisa-Studie hinterhergeschlichen – und jetzt wundern wir uns, woher die intellektuellen Trümmerhaufen kommen, die Kreuzchen bei der AfD machen. Dabei haben die gleichen Bildungsbürger, die heute warnend den Finger heben, das System selbst gegen die Wand gefahren. Erst die Schule verlottern lassen, dann das Entsetzen spielen.
Und was ist mit „Inhaltlich stellen“? Vergiss es. Verbieten? Ja. Muss man sogar. Das macht ihre Wähler nicht zu Demokraten oder Menschenfreunden – aber es nimmt ihnen die Chance, die Demokratie weiter zu zersetzen. Am Ende werden sie gewinnen. Am Ende gewinnen immer die Arschlöcher. Weil die Zahl der geistigen Brackwasserbewohner wächst.
Es war nie Zufall, dass die Schulen verrottet sind. Es passte dem Kapital und der Oberschicht perfekt, wenn das Volk geistig flach gehalten wird. Ein zu wacher Verstand stellt Fragen, und Fragen sind Gift fürs Geschäft. Wer Krisen managen will – Klima, Ressourcen, Verteilung – braucht keine Bürger, die bohren. Er braucht Konsumenten, die folgen. Verblödung ist kein Kollateralschaden, sie ist Strategie. So hält man den Status quo, so hält man den Lebensstandard aufrecht, selbst wenn die Welt bei +4 Grad brennt.
Demokratie ist kein Bollwerk gegen Faschisten. Demokratie ist ein Wellnessprogramm, das funktioniert, solange das Bruttosozialprodukt stimmt und die Wohlhabenden ihren Champagner kaltgestellt kriegen. Sobald einer durchgreifen will – und es ist immer ein Faschist – kippt das Ganze in Rekordzeit.
Die Geschichte ist da schmerzhaft monoton: erst das große Gerede von Freiheit, Rechten und Werten, dann die ersten Schüsse in die Menge, und am Ende marschiert wieder irgendein selbstverliebter Narzisst durch die Ruinen und erklärt sich zum Retter.
Die Arschlöcher schwimmen immer oben. Nicht, weil sie klüger sind, sondern weil ihnen Moral egal ist. Skrupel bremsen. Rücksicht macht träge. Wer alles abwirft, steigt auf. Das gilt im Kapitalismus genauso wie im Faschismus – nur die Masken unterscheiden sich.
Dennoch gilt: Aufgeben ist keine Option.

Aber: In den sozialen Medien über Demokratie zu posten, fühlt sich an wie mit Wattebäuschen kämpfen. Alles nur eine Show. Nichts weiter. Es bringt kaum etwas. Außer ein gutes Gefühl. A bissl Herdenwärme spüren ist ja auch ganz nett.
Was wir jedoch in der Realität tun, ist gut. Nur zu wenig.
Wir gehen auf Demos, wir malen Plakate, wir setzen Hashtags. Als ob man einen Bulldozer mit Luftballons stoppt. Widerstand ist notwendig, ja – aber nicht, weil er siegt. Sondern weil er den Untergang verlangsamt. Er verschafft uns Atemzüge, Tage, vielleicht Jahre. Ohne Widerstand geht es schneller, mit Widerstand nur langsamer.
Bilden wir uns nichts ein: Ethik, Aufklärung, Debattenkultur – alles schön für Sonntagsreden. Aber solange die Machtstrukturen bleiben, wie sie sind, bleibt das Ergebnis dasselbe. Der nächste Autokrat steht schon bereit, der nächste „starke Mann“ kratzt schon an der Tür.
Resistance is futile. Widerstand ist zwecklos. Sinnlos ist er trotzdem nicht – man geht immerhin aufrecht unter. Und genau deswegen unverzichtbar.
Vielleicht machen wir Pause. Vielleicht auch nicht. Wir wissen es nicht. Was wir wissen: die AfD verschwindet nicht von allein. Und für die Herdenwärme gibt es inzwischen genug andere. Aber am Ende sind wir alle nur Zuschauer beim Ertrinken der Demokratie.
