Im fünften Teil meiner Erfahrungen mit Alltagsrassismus möchte ich darüber berichten, dass wir Türken das genauso gut können. Klar, ich habe die deutsche Staatsangehörigkeit, aber was ist schon ein Stück Papier, wenn man sich als Erdenbürger versteht? Manchmal bin ich deutscher als ein Deutscher. Ich liebe das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und halte es für die beste Verfassung der Welt. Doch ich wurde als Türke geboren, und auch wenn ich außer für Urlaubsreisen kaum etwas mit der Türkei zu tun habe, kann ich meine Herkunft weder ignorieren noch leugnen.
Auch dieses Erlebnis stammt aus meiner Zeit beim Ordnungsamt.
Ich war mit einem Kollegen unterwegs, der damals wie heute die AfD wählt. Mehrmals habe ich versucht, ihm zu erklären, dass er kein Ausländerfeind sei – er mag einfach nur keine Arschlöcher. Ein Gefühl, das ich nicht nur nachvollziehen kann, sondern das ich mit ihm teile.
An diesem Samstagabend wurden wir wegen einer Ruhestörung gerufen. Als wir auf dem Parkplatz ankamen, von dem die Ruhestörung ausging, fanden wir vier türkische Jugendliche vor. Sie hatten ihren Kombi abgestellt, den Kofferraum geöffnet und hörten laut Musik.
Ich ließ meinen Kollegen reden. Aus Erfahrung wusste ich, dass die meisten Türken mich nicht als einen der ihren erkannten. Diesen Vorteil wollte ich nutzen, denn oft sprechen sie Türkisch untereinander, und ich kann verstehen, was sie planen.
Mein Kollege sprach die Jugendlichen völlig gelassen und freundlich an: „Jungs, es ist ein schöner Samstagabend, ihr hört Musik – kann ich vollkommen nachvollziehen. Aber warum fahrt ihr nicht zu dem Parkplatz am Fluss und hört dort Musik? Dort stört ihr niemanden und könnt die Musik sogar lauter machen.“ (Anmerkung: Der Kollege nannte tatsächlich den Namen des Flusses, den ich hier aus Gründen der Nichterkennung durch „Fluss“ ersetze. Der Parkplatz ist etwa zwei Kilometer entfernt und in der Gegend bekannt.)
Die Jugendlichen reagierten jedoch aggressiv: „Was willst du von uns?“, fragte einer, während ein anderer hinzufügte: „Das machst du nur, weil wir Türken sind.“ Ein dritter meinte: „Scheiß Nazi.“ Daraufhin mischte ich mich ein und wiederholte das, was mein Kollege gesagt hatte, auf Türkisch – ebenso nett und gelassen.
Die Jugendlichen waren plötzlich verblüfft, antworteten mir respektvoll auf Türkisch und sagten: „Natürlich, kein Problem, wir fahren sofort.“
Nun wurde ich neugierig. Ich fragte sie, warum sie meinem Kollegen gegenüber so aggressiv gewesen waren, während sie mir meinen Vorschlag ohne Weiteres folgten.
„Der macht das nur, weil wir Ausländer sind und er ein Nazi ist“, erwiderten sie.
Daraufhin stellte ich die einzigen vier Verwarnungen aus, die ich in meinen sieben Jahren beim Ordnungsamt jemals ausgestellt habe.
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