Der falsche Feind im Hochwasserschutz
Die jüngste Entscheidung, die Jagd auf Biber an der Oder zu erlauben, ist ein Paradebeispiel für die menschliche Tendenz, die Natur für hausgemachte Probleme verantwortlich zu machen. Biber, die in den letzten Jahrzehnten mühsam wieder angesiedelt wurden, gelten plötzlich als Gefahr für den Hochwasserschutz. Ihre Dämme sollen Überschwemmungen begünstigen, doch das eigentliche Problem ist deutlich komplexer – und hat wenig mit den Tieren zu tun.
Biber gehören zu den wenigen Tieren, die aktiv ihre Umwelt gestalten, indem sie Dämme bauen. Diese Bauwerke bieten nicht nur anderen Arten Schutz und Lebensräume, sie helfen auch, das Wasser in trockenen Perioden zu regulieren. Studien haben gezeigt, dass Biberdämme oft Hochwasserspitzen verlangsamen und damit Gebiete stabilisieren können. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung hat sich ein anderes Bild etabliert: Biber als „Übeltäter“, deren Bauwerke angeblich Fluten verursachen.
Dass diese Tiere nun ins Visier geraten, ist in vielerlei Hinsicht ironisch. Jahrelang wurde viel Aufwand betrieben, um die Biber wieder anzusiedeln. Ihre Bedeutung für das Ökosystem wurde hochgelobt, weil sie als „Ökosystem-Ingenieure“ gelten. Durch ihre Dämme schaffen sie neue Feuchtgebiete, die die Artenvielfalt fördern und die Wasserqualität verbessern. Doch nun scheint dieses Engagement vergessen, und Biber sollen wieder für Probleme herhalten, die durch menschliches Versagen entstanden sind.
Die wahre Ursache für die zunehmenden Hochwasserereignisse liegt im anthropogenen Klimawandel. Extreme Wetterlagen werden intensiver und häufiger, weil die Atmosphäre durch den zusätzlichen CO₂-Ausstoß der Menschen mehr Energie speichert. Dadurch steigt nicht nur die Temperatur, sondern auch die Niederschlagsmengen nehmen zu. Besonders betroffen sind Flusssysteme wie die Oder, wo die Niederschläge kaum versickern können, da die Böden durch menschliche Eingriffe – wie Flussbegradigungen und Bebauung – versiegelt wurden. In diesem Zusammenhang sind Biber bestenfalls ein Sündenbock.
Tatsächlich ist es viel einfacher, die Verantwortung auf Tiere abzuwälzen, anstatt die unangenehmen Wahrheiten anzuerkennen: Unsere Lebensweise und unsere Umweltpolitik tragen massiv zu den Überschwemmungsgefahren bei. Das stetige Bauen in Überschwemmungsgebieten, das Versiegeln von Flächen und der mangelnde Hochwasserschutz sind zentrale Probleme, die seit Jahrzehnten bestehen und nun auf die Spitze getrieben werden. Doch statt sich diesen komplexen und weitreichenden Problemen zu stellen, wird lieber der Biber ins Visier genommen.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Entscheidung, die Biberjagd zu erlauben, vor allem symbolischen Charakter hat. Sie lenkt von den wahren Ursachen ab und gibt den Menschen ein einfaches Ziel, während die eigentlichen Maßnahmen, die zur Bekämpfung von Hochwasser notwendig wären, viel zu zögerlich umgesetzt werden. Denn statt Tiere ins Visier zu nehmen, müsste der Hochwasserschutz radikal verbessert, die Flächenentsiegelung vorangetrieben und vor allem der Klimawandel ernsthaft bekämpft werden.
Der anthropogene Klimawandel ist kein Mythos, sondern eine Tatsache, die bereits heute spürbare Auswirkungen auf das Wetter und das Leben von Millionen von Menschen hat. Die Biberjagd ist eine Ablenkung, ein Versuch, die Verantwortung für diese Entwicklungen an die Natur zu übergeben, anstatt sie selbst zu tragen. Es ist an der Zeit, die Debatte über Hochwasserschutz und Umweltpolitik auf ein realistisches Niveau zu heben. Nicht die Biber sind das Problem – es sind die Menschen, die versäumt haben, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen.
Wir sollten Biber als das betrachten, was sie sind: wichtige Akteure im Kampf gegen die ökologische Zerstörung. Sie sind keine Bedrohung, sondern Teil der Lösung. Statt sie zu jagen, sollten wir uns auf das eigentliche Problem konzentrieren: den Klimawandel und den Umgang mit unserer Umwelt. Denn es sind nicht die Biber, die Hochwasser verursachen, sondern der Mensch, der die Natur aus dem Gleichgewicht gebracht hat.
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