Warum die Angst vorm Fremden da am größten ist, wo keiner wohnt
📽️ Man kennt das aus schlechten Horrorfilmen
Ein windschiefer Schuppen irgendwo im Nirgendwo, ein paar Bretter vor dem Fenster, ein rostiges Gartentor, das sich bei jedem Windhauch öffnet. Und irgendwo darin – ein Kratzen, ein Schnaufen, ein unheilvolles Gurgeln.
Aber man sieht nichts. Nur Schatten.
Und genau deshalb hat man Angst.
Denn solange das Monster im Dunkeln bleibt, kann es alles sein: ein Dämon, ein Serienmörder, ein genetisch mutierter Waschbär. Und genau deshalb funktioniert Angst so gut: Sie braucht keine Fakten, sie braucht nur eine dunkle Ecke. Die Fantasie übernimmt, weil die Wirklichkeit fehlt. Und das Gehirn liebt Sicherheit. Wenn es die nicht bekommt, füllt es die Lücken – mit dem Schlimmsten, was es finden kann.
Genau so funktioniert politische Angst.
Und genau so funktioniert Faschismus.
📊 Die Statistik lügt nicht, aber sie lacht höhnisch
Es ist kein Zufall, dass die höchsten Wahlergebnisse rechter Parteien oft dort auftauchen, wo es am wenigsten „Fremde“ gibt.
Da, wo kaum ein Mensch mit Migrationsgeschichte wohnt. Wo man sich untereinander noch kennt. Wo der Metzger auch gleichzeitig Bürgermeister ist.
Und wo man Ausländer hauptsächlich aus der Bild-Zeitung kennt. Oder aus dem Tatort. Oder aus schlecht geschnittenen TikTok-Compilations mit sirenenartigen Untertiteln:
„SO LEBEN MIGRANTEN IN UNSEREM LAND!!!1!“
Der Ausländer, den man nicht kennt, ist das Monster im Schuppen.
Und je weniger man ihn sieht, desto mehr kann man in ihn hineinprojizieren: Kriminalität, Islamisierung, Messer, Drogen, Sozialleistungen, Lärmbelästigung, Parallelgesellschaften, Frauenfeindlichkeit, Autodiebstahl, Dosenbier.
Die Angst wird nicht kleiner, weil sie erlebt wird.
Sie wird größer, weil sie nicht erlebt wird.
Weil sie nur als Vorstellung existiert.
🤝 Kontakt entzaubert das Klischee
Diese paradoxe Dynamik lässt sich in Statistiken wunderbar beobachten:
Je höher der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in einer Region, desto niedriger sind dort oft die Stimmenanteile für rechtspopulistische Parteien.
Nicht überall, nicht immer, aber als Tendenz glasklar.
Weil dort, wo Menschen einander begegnen, die Luft aus dem Monster gelassen wird.
Da lebt kein „Fremder“, sondern Hasan, der beim Umzug geholfen hat.
Da wohnt nicht „die Syrerin“, sondern Amal, deren Sohn mit deinem im Sandkasten sitzt.
Und da arbeitet nicht „der Ukrainer“, sondern Taras, der besser bohren kann als jeder Deutsche seit Hilti.
Was bleibt, ist kein Monster. Kein Klischee. Kein Bedrohungsszenario.
Nur ein Mensch. Und das ist für viele schon enttäuschend genug.
Und Menschen sind schlecht als Sündenböcke geeignet.
Zu viele Details, zu viele Grautöne, zu viel Realität.
🕳️ Faschismus liebt das Dunkel
Faschismus braucht die Dunkelheit.
Er lebt von Unkenntnis, von Lücken, von Erzählungen über Menschen, die man nie getroffen hat.
Er funktioniert über das Prinzip: „Stell dir mal vor …“ – nicht „Erinnerst du dich an …?“
Das ist seine größte Stärke – und gleichzeitig seine größte Schwäche.
Denn sobald das Licht angeht, ist das Monster nicht mehr furchteinflößend.
Es ist klein.
Oder traurig.
Oder jemand, der einfach nur durch dieselbe beschissene Gegenwart stolpert wie du.
😴 Die große Nacht der Märchenerzähler
Aber viele wollen das Licht nicht anmachen.
Sie sitzen lieber zusammen im Dunkeln und erzählen sich Geschichten.
Je absurder, desto besser.
Je furchteinflößender, desto wirkungsvoller.
Und sie nennen das dann: „gesunder Menschenverstand“.
Es ist bequem, sich über Dinge aufzuregen, die man nie erlebt hat.
Es ist einfach, Menschen zu hassen, denen man nie begegnet ist.
Und es fühlt sich großartig an, sich für überlegen zu halten, wenn niemand da ist, der es einem ausreden kann.
🧠 Reflex statt Haltung
Faschismus ist keine Ideologie.
Er ist ein Reflex.
Ein alter, staubiger Überlebensmechanismus, der sagt: „Vertrau nur deiner Gruppe, alles andere ist Gefahr.“
In der Savanne war das vielleicht sinnvoll.
Heute ist es einfach nur blöd.
Die Angst vorm Fremden ist keine Reaktion auf Realität, sondern auf deren Abwesenheit.
Und rechte Hetze ist nichts anderes als ein Genre-Film, der nie endet.
Mit schlechter Dramaturgie, immer denselben Feindbildern, billigen Spezialeffekten und einer Hauptfigur, die ständig ruft:
„Wacht endlich auf!!!“
Obwohl sie selbst seit Jahrzehnten schläft.
🚪 Mach die Tür auf
Der Punkt ist:
Du wirst die Welt nicht besser machen, indem du dich hinter der Tür verbarrikadierst und alles anschreist, was draußen vorbeigeht.
Du machst sie besser, wenn du die Tür öffnest.
Und rausgehst.
Und siehst, dass da kein Monster ist.
Nur die Angst, die du dir selbst gebaut hast.
Und andere Menschen.
Mit anderen Geschichten.
Und manchmal mit besserem Kaffee.