Ein flüchtender Mensch.
Er läuft. Er greift nicht an. Er droht nicht.
Er läuft – und wird erschossen.
Vier Schüsse.
Drei davon treffen ihn von hinten.
Nicht im Kampf. Nicht im Angriff.
Im Laufen.
Und was hätte das Gesetz verlangt?
Dass tödliche Gewalt nur das letzte Mittel ist.
Dass sie geeignet sein muss, eine unmittelbare Lebensgefahr abzuwenden.
Dass sie erforderlich sein muss, weil es keinen anderen Weg gibt.
Dass sie angemessen sein muss, gemessen an der Würde und dem Wert eines jeden Menschenlebens.
Aber was war hier geeignet?
Was war erforderlich?
Was war angemessen?
Ein Mensch, der wegrennt, ist keine akute Bedrohung.
Ein Mensch, der wegläuft, stellt keine unmittelbare Lebensgefahr dar.
Er ist kein Sturmangreifer, kein Geiselnehmer, kein Mörder in Aktion.
Ein Mensch, der wegläuft, hätte verfolgt, gestellt, später identifiziert werden können.
Ein Mensch, der wegläuft, verliert nicht sein Recht auf Leben.
Er ist ein Flüchtender – und der Rechtsstaat hätte ihn schützen müssen, auch vor der eigenen Polizei.
Es hätte andere Wege gegeben: Festnahme später, Verstärkung rufen, verfolgen ohne zu töten.
Und wenn er ein bekannter Straftäter war?
Manche sagen jetzt: Er war doch kein Unschuldiger. Er war ein bekannter Straftäter. Er hat eskaliert.
Vielleicht stimmt das. Vielleicht auch nicht.
Aber selbst wenn alles wahr wäre – selbst dann bleibt es dabei:
In einem Rechtsstaat entscheidet ein Gericht über Schuld und Strafe.
Nicht drei Kugeln.
Hier wurde nicht Gefahr abgewehrt.
Drei Schüsse in den Rücken sind nicht Schutz.
Drei Schüsse in den Rücken sind eine Exekution.
Und sie sind der Bankrott eines Prinzips, das uns allen heilig sein sollte:
Dass die Staatsgewalt nicht schießt, weil sie es kann, sondern nur, wenn sie es absolut muss.
Und während Worte wie „tragisches Missverständnis“ oder „bedauerlicher Vorfall“ die Runde machen, bleibt die eigentliche Frage unausgesprochen:
Hätte Hans-Dieter die gleichen Kugeln gespürt?