Spirituell erwacht (Adjektiv – Eigenzuschreibung)
Spirituell erwacht zu sein ist wie Erleuchtung auf Speed – bloß ohne Substanz. Es bezeichnet den Moment, in dem jemand feststellt, dass er die Wahrheit erkannt hat – natürlich eine ganz individuelle, völlig faktenfreie Wahrheit, die sich überraschend gut mit Räucherstäbchen, Chakren-geschwurbel und einem Selfie im Schneidersitz verträgt. Wer spirituell erwacht ist, hat oft nicht mehr Wissen, sondern einfach nur keine Geduld mehr für Realität.
Die Selbstdiagnose „Ich bin erwacht“ kommt meist mit einem missionarischen Blick, drei Podcasts, einem Coaching-Angebot und einem abrupten Verlust an Selbstironie. Kritische Fragen werden abgewehrt mit Sätzen wie „Du bist halt noch nicht so weit“ oder „Dein Ego kämpft gerade“. Wer das sagt, hat nicht erwacht, sondern abgedreht – und verwechselt narzisstische Selbstverklärung mit kosmischem Bewusstsein.
Beispielsatz:
„Seit Vanessa spirituell erwacht ist, redet sie mit Bäumen, verurteilt Fleischesser – und verkauft Erdheilungsseminare für 200 Euro pro Sitzkreis.“