Wutbürger (Substantiv, maskulin)
Ein professioneller Empörungstourist mit eingebautem Echauffier-Modus. Er durchstreift Kommentarspalten wie ein Grizzly den Wald – immer auf der Suche nach dem nächsten Aufregerthema. Ob Klimawandel, queere Sichtbarkeit oder Veganer – alles, was ihm nicht in seinen eingeschränkten Horizont passt, wird lautstark mit „ES REICHT!“ kommentiert.
Der Wutbürger ist nicht einfach nur genervt – er ist beleidigt, weil die Welt sich weiterdreht, während er noch versucht, das VHS-Programm von 1995 zu verstehen. Er fühlt sich verfolgt von einer „Dauerpräsenz“ von Dingen, die ihn absolut nichts angehen, hält es aber für seine Pflicht, in jeder Diskussion seinen Senf dazuzugeben – am besten in Großbuchstaben und mit mindestens drei Ausrufezeichen. Der Facebook-Algorithmus freut sich und versorgt ihn dank seines Dauergetippes mit noch mehr Content, über den er sich aufregen kann.
Weiterscrollen wäre eine Option, doch stattdessen fühlt sich der Wutbürger als letzter Verteidiger der „Normalität“, die er mit seiner Liebe zu Schnitzel, Diesel und heterosexuellem Händchenhalten verteidigt. Seine größte Angst? Dass der MDR in einer freien Entscheidung einen Film über den Holocaust zeigt – oder noch schlimmer: Dass jemand es wagt, ihn daran zu erinnern, dass Fleisch nicht auf Bäumen wächst. Er versteht die Welt nicht mehr, und das ist die Schuld von „den Linken“, „den Grünen“ oder einfach „der Gesellschaft“.
Sein Selbstbild? Ein unbeugsamer Kämpfer gegen den „Schuldkult“ und die „Erziehung durch die Medien“. Die Realität? Ein trotziges Kind im Körper eines Erwachsenen, das mit jeder Beleidigung in die Kommentarspalte ein digitales „Mimimi“ schreit.
Beispielsatz: „ES REICHT! Ich habe mit dem Holocaust nichts zu tun, und meine Eltern auch nicht! Warum müssen wir uns das IMMER WIEDER anschauen?!?!?!“