Ich war nicht dabei – jetzt bin ich wieder nicht dabei!
Du warst nicht dabei.
Beim Holocaust. Beim Krieg. Beim ganzen Wahnsinn.
Du warst nicht dabei – und das betonst du laut, so laut, als hätte dir jemand persönlich die Schuld aufs Konto gebucht.
Du warst nicht dabei – und willst deswegen heute nichts hören, nichts fühlen, nichts begreifen.
Denn du warst nicht dabei.
Aber du bist auch jetzt wieder nicht dabei.
Nicht dabei, wenn’s drauf ankommt.
Nicht dabei, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden.
Nicht dabei, wenn auf den Straßen Hass marschiert.
Nicht dabei, wenn Zivilcourage mehr braucht als ein „Gefällt mir“ auf Instagram.
Aber du bist dabei, wenn’s darum geht, laut zu werden.
Gegen Schuld. Gegen Erinnerung. Gegen Verantwortung.
Du bist dabei, wenn wieder einer hetzt – nicht mit eigenen Worten, aber mit einem Share.
Du bist dabei, wenn wieder einer sagt „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“, und du klatschst innerlich Beifall.
Du bist dabei, wenn Geschichte sich nicht wiederholt, sondern ganz bequem weiterläuft.
Du glaubst, du bist in der Mitte.
Aber du stehst nur im Weg.
Du hältst dich für unpolitisch.
Aber dein Schweigen hat politische Wirkung.
Du willst nicht verantwortlich sein.
Aber du wirkst mit – durch alles, was du nicht tust und nicht verstehst.
Du warst nicht dabei, als es begann.
Aber du bist jetzt dabei, wo es wieder beginnt.
Mit deinem Wegsehen.
Mit deinem Teilen.
Mit deiner lauten Weigerung, irgendetwas zu begreifen, das über deinen Tellerrand hinausgeht.
Niemand sagt, du sollst schuld sein.
Aber du bist Teil der Gegenwart.
Und du kannst nicht gleichzeitig in ihr leben und dich aus allem rauslügen, was Verantwortung bedeutet.
Du willst nicht schuld sein an der Vergangenheit?
Dann hör auf, die Zukunft mitzugestalten, als wärst du’s.
Denn du warst nicht dabei.
Und jetzt bist du es wieder nicht.
Und genau das ist das Problem.